Abgabe von Gefahrstoffen im Kundenverkehr
Die erste Feststellung:
Wird der Stoff als Arzneistoff oder als Gefahrstoff eingesetzt, kann der Kunde eine authentisch bekannte medizinische Anwendung nennen, die dem Pharmazeutischen Personal als solche bekannt ist, wird der Stoff nach ABO gekennzeichnet und als Rezepturarzneimittel abgeben. Es erfolgt kein Eintrag ins Abgabebuch.
Wird der Stoff nicht als Arzneimittel mit einer Indikation, so gilt er als Gefahrstoff und unterliegt den im folgendem beschriebenen Abgaberegelungen. Die Kennzeichnung erfolgt als Gefahrstoff nach der Gefahrstoffverordnung nach der GHS Kennzeichnungsrichtlinie.
Da die Chemikalienverbotsverordnung im Moment - Stand 03-2011 - noch nicht an die aktuelle GHS Richtlinie bezüglich des Umgangs mit Gefahrstoffen in der Abgabeentscheidung an die neue Kennzeichnung angepasst ist, wird bei der Abgabe von Gefahrstoffen die neue Kennzeichnung gewählt. Die Entscheidung der Abgabe richtet sich aber noch nach der Symbolik der EWG Kennzeichnung.
Wer darf in der Apotheke Gefahrstoffe abgeben?
Gefahrstoffe dürfen von Personen abgegeben werden, die die erforderliche Sachkunde besitzen. Apotheker und PTA besitzen diese durch ihre Ausbildung. PKA müssen im Besitz eines Sachkundenachweises sein, der üblicherweise mit der Abschlussprüfung erbracht wird.
An wen dürfen Gefahrstoffe abgegeben werden?
Bei sehr giftigen, giftigen, hochentzündlichen, brandfördernden und gesundheitsschädlichen Stoffen (wenn der R-Satz 40, 62 od. 63 und 68 angegeben werden muss, noch EWG Standard!) gilt:
- Der Empfänger ist mindestens 18 Jahre alt
- Der Gefahrstoff wird für einen erlaubten Zweck verwendet und es bestehen keine Anhaltspunkte für eine unerlaubte Verwendung oder Weiterveräußerung.
- Die abgebende Person hat zu entscheiden, ob der angegebene Verwendungszweck erlaubt ist bzw. authentisch ist oder nicht!
Bei Stoffen, die als giftig oder sehr giftig nach EWG-Standard eingestuft sind:
Name und Anschrift des Erwerbers müssen bekannt sein oder nachgewiesen werden (Identitätsfeststellung). Eintrag ins Abgabebuch.
Unterrichtungspflicht:
Der Erwerber muss vor der Abgabe über die mit der Verwendung verbundenen Gefahren und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen sowie Maßnahmen bei versehentlichem Verschütten und zur ordnungsgemäßen Entsorgung unterrichtet werden.
Dokumentationspflicht gemäß Chemikalienverbotsverordnung zur Vorbeugung der Herstellung von illegalem Sprengstoff bei folgenden Stoffen:
1. Ammoniumnitrat
2. Kaliumchlorat
3. Kaliumnitrat
4. Kaliumperchlorat
5. Kaliumpermanganat
6. Natriumchlorat
7. Natriumnitrat
8. Natriumperchlorat
9. Wasserstoffperoxidlösungen > 12 %
Aufzeichnungspflichten bei der Abgabe von Stoffen, bei denen eine Identitätsfeststellung erforderlich ist, müssen in einem „Abgabebuch“ dokumentiert werden. Es kann sich dabei um ein einfaches Heft oder einen Ringordner handeln. Die Aufzeichnungen müssen jedoch fünf Jahre aufbewahrt werden.
Welche Angaben müssen protokolliert werden?
- Art und Menge des Gefahrstoffes
- Datum der Abgabe
- Verwendungszweck
- Name und Anschrift des Erwerbers
- Name des Abgebenden
- Unterschrift des Erwerbers
Missbrauch für die Herstellung von illegalen Sprengstoffen
In wiederholten Fällen zogen sich Jugendliche bei der Herstellung von Sprengstoffen schwere Verletzungen bis hin zum Verlust von Organen oder Augenlicht zu. Diverse Internetseiten von verantwortungslosen Verfassern, bieten Anleitungen zur Sprengstoffherstellung und empfehlen darin Apotheken als Bezugsquellen für die benötigten Ausgangssubstanzen. Von der Polizei wurden auch über Apotheken bezogene Chemikalien gefunden, aus denen illegale Sprengstoffe mit krimineller/terroristischer Absicht hergestellt wurden.
Die folgende Liste enthält Stoffe, die sich u.a. für die Sprengstoffherstellung eignen. Bei entsprechenden Nachfragen ist der angegebene Verwendungszweck besonders sorgfältig zu überprüfen. Eine Abgabe darf nur erfolgen, wenn ein eindeutig erlaubter Verwendungszweck festgestellt wurde. Im Zweifelsfalle ist die Abgabe zu verweigern und die zuständige Landesapothekerkammer zu verständigen (zur Beachtung: bei den hier fett gedruckten Stoffen besteht Pflicht zur Identitätsfeststellung und Eintrag in das Abgabebuch).
Aluminiumstaub, Ammoniak, Ammoniumnitrat (Ammonsalpeter), Bittermandelöl, Bleiacetat, Blutlaugensalz (gelb), Calciumcarbonat, Cyanamid, Eisenoxid, Ether, Glyzerin, Guanidinnitrat, Harnsäure Jod (-tinktur), Kaliumchlorat, Kaliumhexacyanoferrat (III), Kaliumnitrat (Kalisalpeter), Kaliumperchlorat, Kaliumpermanganat, Kieselgur, Kupfer-(I)-chlorid, Kupfer-(I)-oxid, Kupfersulfat,
Lycopodium, Magnesia (kohlensauer), Magnesiumcarbonat, Magnesiumstaub, Magnesiumsulfat, Mangan-(IV)-oxid (Braunstein), Naphthalin, Natriumazid, Natriumchlorat, Natriumhydroxid, Natriumnitrat (Chilesalpeter), Natriumperchlorat, Natriumsulfat, Natriumsulfid, Paraffin, Pentaerythrit, Petroleum, Phenol, Phosphor (rot), Salpetersäure, Schwefel, Schwefelsäure, Silbernitrat, Terpentinöl, Wasserstoffperoxidlösung > 12 %
Info: Alle sonstigen Regeln für die Abgabe von Gefahrstoffen bleiben davon unberührt! Für Kaliumdichromat als CMR Substanz besteht in diesem Zusammenhang ein Abgabeverbot an Privatpersonen! Kollodiumwolle ist identisch mit Nitrocellulose. Hier besteht auch ein Abgabeverbot gemäß dem Sprengstoffgesetz.
Ausgangsstoffe für die illegale Drogenherstellung (Grundstoffgesetz)
Berichten der Apothekerkammern zufolge wird immer wieder versucht, über Apotheken Chemikalien zu beziehen, die für eine illegale Drogensynthese verwendet werden. Um dabei nicht aufzufallen, wird über eine größere Personenzahl jeweils eine kleine Menge besorgt. Diese vielen Kleinmengen laufen schließlich in verbotenen Laboren zusammen. Um die Beschaffung solcher Grundstoffe zu verhindern bzw. einzuschränken und strafrechtlich verfolgen zu können, wird durch gesetzliche Regelungen eine Überwachung der Grundstoffe vorgenommen.
Unter „Grundstoffüberwachung“ versteht man die gesetzliche Regelungen, die zum Ziel haben, die Kontrolle des Verkehrs mit Stoffen, die als Ausgangsstoffe für die illegale Rauschgiftsynthese verwendet werden, zu intensivieren und europaweit zu vereinheitlichen. Dadurch soll die Beschaffung verhindert bzw. eingeschränkt und deren strafrechtliche Verfolgung verbessert werden. Zurzeit sind 25 Stoffe der Grundstoffüberwachung unterstellt. Sie werden in drei Kategorien mit unterschiedlich strengen Kontroll- und Überwachungsmechanismen eingeteilt.
Grundstoffe der Kategorie 1:
N-Acetylanthranilsäure = 2 Acetamidobenzoesäure
Ephedrin
Ephedra - Arten
Ergomethrin = Ergobasin
Ergotamin
Isosafrol = 5 – (Prop-1enyl)–1,3-benzodioxol
Lysergsäure
3,4-Methylendioxyphenylpropan-2-on = 1-(1,3-Benzodioxol-5-yl)propan-2-on, Piperonylmethylketon
Norephedrin = Phenylpropanolamin
1-Phenyl-2-propanon = Phenylaceton, Benzylmethylketon
Piperonal = Heliotropin
Pseudoephedrin
Safrol = 4-Allyl-1,2-methylendioxybenzol
Sassafrasöl
- sowie die stereoisomeren Formen und Salze dieser Stoffe. Nicht betroffen ist (+) – Norpseudoephedrin und dessen Salze.
Grundstoffe der Kategorie 2:
Essigsäureanhydrid = Acetanhydrid, Schwellenwert: 100 l
Phenylessigsäure, Schwellenwert: 1 kg
Anthranilsäure = 2-Aminobenzoesäure, Schwellenwert: 1 kg
Piperidin, Schwellenwert: 0,5 kg
Kaliumpermanganat, Schwellenwert: 100 kg
sowie die Salze dieser Stoffe (falls solche existieren)
Grundstoffe der Kategorie 3:
Salzsäure = Chlorwasserstoff
Schwefelsäure
Toluol
Ethylether = Diethylether
Aceton = Dimethylketon
Methylethylketon = 2-Butanon
- sowie die Salze dieser Stoffe (Ausnahme: Salze der Schwefelsäure bzw. Salzsäure).
Inverkehrbringen von Grundstoffen der Kategorie 1:
Ausschließlich Inhaber einer behördlichen Erlaubnis dürfen Grundstoffe der Kategorie 1 besitzen oder in Verkehr bringen. Die Apothekenbetriebserlaubnis beinhaltet diese Erlaubnis für Tätigkeiten und Grundstoffmengen im apothekenüblichen Rahmen. D.h. Apotheken dürfen im Rahmen ihrer apothekenrechtlich festgelegten Aufgaben Grundstoffe der Kategorie 1 beziehen, lagern, weiterverarbeiten etc. sowie an Erlaubnisinhaber abgeben, ohne dafür eine extra Erlaubnis beantragen zu müssen. Eine Endverbleibserklärung (Abk. EVE) ist bei jeglicher Abgabe einzufordern (Näheres s. unten).
Inverkehrbringen von Grundstoffen der Kategorie 2:
Für das Inverkehrbringen von Grundstoffen der Kategorie 2 ist eine „Registrierung“ erforderlich, wenn bestimmte Jahresabgabemengen überschritten werden (da eine Überschreitung der Werte in Apotheken nicht zu erwarten ist, wird hier nicht näher darauf eingegangen). Eine Abgabe dieser Stoffe ist erlaubt, wenn ein unerlaubter Verwendungszweck mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Bei Überschreitung der genannten Schwellenwerte ist außerdem eine EVE erforderlich.
Inverkehrbringen von Grundstoffen der Kategorie 3:
Für das Inverkehrbringen von Grundstoffen der Kategorie 3 ist möglich, wenn ein unerlaubter Verwendungszweck sicher ausgeschlossen werden kann; eine EVE ist nicht vorgeschrieben.
Zur Beachtung: Alle sonstigen Regeln für die Abgabe von Gefahrstoffen.
Endverbleibserklärungen (EVE)
Bei einer Abgabe erfasster Stoffe der Kategorie 1 oder 2 muss vom Empfänger eine „Endverbleibserklärung“ ausgefüllt werden, die neben den Formalien des Empfängers den genauen Verwendungszweck enthält.
Für Apotheken bedeutet dies:
- Eine EVE ist bei einer Abgabe vom Kunden abzuverlangen
- Beim Bezug ist gegenüber dem Lieferanten eine EVE abzugeben.
Für Grundstoffe der Kategorie 1 gilt dies in jedem Falle. Für Grundstoffe der Kategorie 2 nur, wenn die Abgabemenge pro Jahr (bezogen auf die Apotheke) über einer bestimmten Menge, dem „Schwellenwert“ liegt; ansonsten kann darauf verzichtet werden. Es kann im Bedarfsfalle von der Homepage der Bayerischen Landesapothekerkammer geladen werden (www.blak.de). Für jeden Stoff ist eine eigene EVE erforderlich. Das Original ist nach Ablauf des Kalenderjahres für drei weitere Jahre aufzubewahren. Der Empfänger des Stoffes erhält eine Kopie mit Stempel und Datum ausgehändigt.
Arzneimittel, die Grundstoffe enthalten
Die Bestimmungen der Grundstoffüberwachung sind nicht anzuwenden, wenn es sich um die Abgabe eines Arzneimittels handelt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Grundstoff nicht auf einfache Weise daraus gewonnen (z.B. durch Extraktion) oder das Arzneimittel selbst leicht zur Drogensynthese verwendet werden kann. Werden diese Stoffe zur Herstellung von (Rezeptur-) Arzneimitteln bezogen, ist gegenüber dem Lieferanten eine EVE abzugeben.
Meldung von Verdachtsfällen
Apotheken sind verpflichtet, Hinweise auf mögliche unerlaubte Verwendung von Grundstoffen an die „Gemeinsame Stelle des Bundeskriminalamtes und des Zollkriminalamtes“ unter folgenden Telefon- bzw. Fax-Nummern zu melden:
Telefon: 0611-5514086 oder 0611-5514888 oder 0611-5514008
Fax: 0611-5514093
Abgabe von Gefahrstoffen an Minderjährige
Außer der Abgabebeschränkung unter den obengenannten Kriterien (Sehr giftige, giftige, hochentzündliche, brandfördernde und gesundheitsschädliche Stoffe) findet sich kein ausdrückliches Verbot der Abgabe an Minderjährige in den gefahrstoffrechtlichen Vorschriften. Zu bedenken ist allerdings, dass der S-Satz 2 „Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen“ immer aufgetragen wird, so dass sich dadurch automatisch ein Abgabeverbot an Kinder ergibt; ggf. ist eine Abgabe mit kindergesichertem Verschluss möglich. Bei Jugendlichen hat der Abgebende zu entscheiden, ob dies verantwortet werden kann; er hat auf jeden Fall seine Sorgfaltspflicht zu beachten und die damit verbundenen haftungsrechtlichen Konsequenzen.
Abgabeverbote nach Chemikalienverbotsverordnung
In der Chemikalienverbotsverordnung sind die Vorschriften des Gifthandelsrechts sowie Verbote bzw. Beschränkungen des Inverkehrbringens bestimmter Chemikalien enthalten. Im Anhang der Verordnung sind die Stoffe aufgeführt, für die Verkehrsverbote bzw. Beschränkungen existieren.
Für Apotheken relevante Abgabeverbote:
Borax
Chloroform
Tetrachlormethan
(und verschiedene andere Chloraliphaten)
Vollständiges Abgabeverbot
CMR-Stoffe Cat.1 und 2 z.B. Kaliumdichromat
Keine Abgabe an Privatpersonen!
Anmerkung:
Die Stofflisten mit den aufgenommenen Stoffen in den Verordnungen können sich nach aktueller Rechtslage durch Zugänge oder Abgänge verändern. Bei Unsicherheit ist dies im Einzelfall nochmals zu überprüfen.
Kennzeichnung und Abgabe bitterer Mandeln als Lebensmittel
Information der Sächsischen LAK zur Kennzeichnung der Bitteren Mandeln. Mit der Begründung, es handle sich um ein Lebensmittel bzw. Gewürz. „Lebensmittel sind keine Chemikalien“. Daher gilt auch die Gefahrstoffverordnung und die entsprechenden Kennzeichnungsvorschriften nicht.
Sofern bittere Mandeln als Backzutat verlangt werden (nichtarzneiliche Verwendung), sind diese den Lebensmitteln zuzuordnen. Alle Einrichtungen des Lebensmitteleinzelhandels dürfen diese abgeben. Eine Eingangskontrolle ist für Lebensmittel in Apotheken nicht erforderlich (Prüfprotokoll kann entfallen). Die Beschriftung muss nach der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung erfolgen.
Pflichtangaben für bittere Mandeln:
1. Verkehrsbezeichnung
2. Name und Anschrift der Apotheke
(sofern von der Apotheke konfektioniert)
3. Verzeichnis der Zutaten (hier 1. = 3.)
4. Mindesthaltbarkeitsdatum ("Mindestens haltbar bis...", in der Regel Angabe von Tag, Monat und Jahr)
5. Nennfüllmenge (Mengenangabe)
6. Charge (Los)
Vorsicht ist beim Rohverzehr durch die Verwechslungsgefahr mit süßen Mandeln geboten. Zwar besteht durch den widerlich bitteren Geschmack ein natürlicher Schutz, doch dieser reicht nicht in jedem Falle aus. Besonders Kinder und "geschmacksblinde" Personen, die bittere Mandeln nicht von süßen unterscheiden können, sind gefährdet. Aus diesem Grund sieht das Sächsische Sozialministerium bei bitteren Mandeln eine zusätzliche Kennzeichnung bzw. einen Hinweis auf die Gefahr bei Rohverzehr als wichtig an.
Folgende Hinweise sollten deshalb angebracht werden:
- Vorsicht! Rohverzehr ist gesundheitsschädlich!
- Nur zum Kochen und Backen verwenden!
- Für Kinder unzugänglich aufbewahren!
Für die Abgabe von bitteren Mandeln an Endverbraucher empfiehlt das Sächsische Sozialministerium Einzelpackungen bis zu einem Füllgewicht von maximal 50 Gramm.
Bearbeiter: Fa. A+A Arbeitsschutz
Prüfung und Freigabe:
GFK-T-Rev1-11-08-17 Rev. 1-2011
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